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“Reorganisation staatlicher Wirtschaftspolitik statt Verdrängungswettbewerb”

25.06.2009 | von Frank Franz

Die sächsische Textilindustrie gehört zu den traditionsreichsten Branchen des Freistaats. Spitzen aus Plauen und Strümpfe aus Chemnitz gehören zu den Produkten, die Sachsen in der Welt bekannt gemacht haben. Noch in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts war die Textilindustrie in Teilen Sachsens der größte Arbeitgeber, so im alten DDR-Bezirk Karl-Marx-Stadt. Durch die Weltwirtschaftskrise droht der Freistaat nun auch noch die letzten Reste seiner Textilindustrie zu verlieren, die den Globalisierungsprozeß der vergangenen beiden Jahrzehnte überlebt haben. Deshalb hatte die NPD den Antrag “Sächsische Textilindustrie sichern – Schließung der Werke in St. Egidien und Elsterberg verhindern!” in den Geschäftsgang des Landtages eingebracht.

 
Der stellvertretende NPD-Fraktionsvorsitzende Alexander Delle erinnerte in seinem Eröffnungsbeitrag daran, daß durch die geplante Schließung des Gardinenwerks von Enka in Elsterberg sowie die geplante Schließung der Tuchweberei “Neue PALLA” in St. Egidien im Zwickauer Land zirka sieben Prozent der nach der Wende vorerst verbliebenen zirka 12.000 sächsischen Textil-Arbeitsplätze verloren gehen würden, wenn man die schon angekündigten Entlassungen bei Zulieferern mitrechnet. Damit setze sich eine Kette von Werksschließungen in der sächsischen Textilbranche fort, die schon vor der Weltwirtschaftskrise mit der Schließung der “Textilfabrik Drews” im westsächsischen Meerane vor zwei Jahren und der “Neue Erba Lautex” in Neugersdorf vor vier Jahren begann. Diese Entwicklung, so Delle, vollzog sich, obwohl die sächsische Textilindustrie seit der Wende nach der Devise “Klasse statt Masse” und mit “Kapital in Form von ausgeklügelten Technologien und hochwertigen Maschinen” produzierte. Der massiven, in erster Linie von China aus betriebenen Produktpiraterie sei man aber nicht gewachsen gewesen, wobei “das Wirtschaftsministerium keinerlei wirtschaftspolitische oder rechtliche Maßnahmen ergriffen” habe, “um diesem kriminellen Treiben ein Ende zu bereiten”. In diesem Zusammenhang forderte Delle die Einrichtung einer “Arbeitsgruppe sächsische Textilindustrie” im Wirtschaftsministerium zur “Reorganisation der staatlichen Wirtschaftspolitik, um ein echtes Führungsinstrument zu erhalten, und um ein wirtschaftspolitisches Krisenmanagement im Freistaat zu ermöglichen, das seinen Namen verdient.”
 
Scharfe Kritik übte Delle auch am Versagen des Wirtschaftsministeriums im Fall der Tuchweberei “Neue PALLA” in St. Egidien, die in der zweiten Jahreshälfte 2008 durch einen vorübergehenden Auftragsrückgang in Schwierigkeiten gekommen war, woraufhin das Sächsische Wirtschaftsministerium in Dresden ein Darlehen über vier Millionen Euro fest zusagte, das über die Sächsische Aufbaubank ausgereicht werden sollte. Trotz Hinweise der PALLA-Geschäftsführung, daß man das Darlehen unbedingt vor der für das Jahresgeschäft eines Textilherstellers entscheidenden Musterungsphase benötige, wurde das Geld nicht überwiesen und die Kreditzusage schließlich ganz zurückgenommen. Delle forderte SPD-Wirtschaftsminister Jurk auf, zu diesem Vorgang Stellung zu nehmen und offenzulegen, ob es eine Einflußnahme der EU-Kommission gab.
 
Am Ende seines Debattenbeitrags äußerte Delle:
 
“Es fragt sich aber, warum ausgerechnet die Palla-Mitarbeiter durch Arbeitsplatzverlust dafür büßen sollen und nicht vielmehr die inkompetenten Politiker und Ministerialbeamten! Für die Zukunft noch wichtiger ist allerdings die Frage, ob wir uns ein derartiges strukturelles Defizit in der wirtschaftspolitischen Führung unseres Landes überhaupt noch leisten können, meine Damen und Herren – zumal unter den Bedingungen einer Weltwirtschaftskrise, deren Ausmaße wir noch gar nicht abschätzen können?
 
Meine Fraktion sagt dazu nein! Wir müssen vielmehr anfangen, Wirtschaftspolitik als wirtschaftspolitische Führung, nicht mehr nur als ordnungspolitische Aufgabe eines Nachtwächterstaates zu verstehen.”
 
Ein Erfolg des NPD-Antrages war, daß sich endlich auch einmal die Staatsregierung in Person von Kultusministerin Dr. Eva-Maria Stange genötigt sah, zum Kahlschlag in der sächsischen Textilindustrie Stellung zu nehmen. Stanges Behauptung, daß die beiden Fälle Enka und PALLA nichts miteinander zu tun haben, darf allerdings stark bezweifelt werden, sind doch beide Unternehmen ganz eindeutig Opfer eines internationalen Verdrängungswettbewerbs sowie einer deutschen Politik, die auf eine gezielte Wirtschaftspolitik weitgehend verzichtet.
 
25.06.2009
 
Arne Schimmer
Pressesprecher der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag
Bernhard-von-Lindenau-Platz 1
01067 Dresden
Tel.: (0351) 493 49 00 // (0170) 18 74 207
 
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