Nach der Gründung der DDR als zweitem alliierten Vasallenstaat auf deutschem Boden nach der BRD herrschte im “Sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat” mit eiserner Hand der Stalin-Verehrer Walter Ulbricht. Mit seiner doktrinären, moskowitischen Politik sorgte der SED-Generalsekretär im Winter 1952/53 nicht nur für anschwellende Flüchtlingsströme gen Westen. Das innenpolitische Verfolgungsregiment gegen geistige Abweichler und bäuerlich-bürgerliche Kreise ließ spätestens seit Beginn des Jahres 1953 in breiten Volkskreisen Unmut und Widerstandsgeist wachsen. In diese Großwetterlage platzte die Nachricht vom Tode des Sowjet-Imperators Josef Stalin am 5. März 1953. Die große Mehrheit der Mitteldeutschen erhoffte von seinem Nachfolger ein mäßigendes Einwirken auf die SED-Führung. Es kursierten sogar Gerüchte, denen zufolge Ulbricht in seinem führenden Partei- und Staatsamt abgelöst werden sollte. Angeblich hätte der neu ernannte sowjetische Hochkommissar Wladimir Semjonow entsprechende Moskauer Weisungen mitgebracht. Aber nichts in Richtung politischer Öffnung oder personeller Änderungen geschah!
Ausbeutung durch höhere Arbeitsnormen
Stattdessen erhöhte die Regierung Otto Grotewohl am 28. Mai die allgemeinen Arbeitsnormen um zehn Prozent und löste damit erhebliche Unruhe aus, die zu ersten wilden Streiks, erbitterten Debatten in Betrieben und spontanen Protestveranstaltungen führte. Das rote Zwangssystem in den Betrieben und die immer schlechtere Versorgungslage ließen erneut viele Menschen die DDR verlassen. In dieser Lage verordnete Moskau den Berliner Genossen eine entschärfte wirtschaftspolitische Gangart, worauf die SED den “neuen Kurs” verkündete. In den Morgenstunden des 12. Juni 1953 berichtete der Ostberliner Rundfunk vom Politbüro-Beschluß des 9. Juni zum “neuen Kurs”: Die Partei gestand Fehler ein, besänftigte und gelobte Besserung. In der Tat lockerte sich in den Folgetagen der gewohnte staatliche Druck, Preiserhöhungen wurden zurückgenommen und die Konsumlage verbessert.
Die Ende Mai beschlossenen Normerhöhungen für Industriebetriebe und die Bauwirtschaft wurden indes nicht zurückgenommen und von der Partei dreist propagiert. Die Ostberliner Postille “Tribüne” schrieb am 16. Juni den Arbeitern ins Stammbuch: “Erst besser arbeiten, dann besser leben.” Dies wurde von den ebenso vaterländisch wie freiheitlich gesinnten Arbeitern als bewußte Provokation der SED-Bonzen aufgefaßt. Aus Wut wurde Aktion: Um 7 Uhr früh des 16. Juni 1953 begann auf Block 40 der Baustelle in der Stalinallee der Streik der vom Marxismus Ausgepreßten! Die Arbeiter studierten die “Tribüne”, diskutieren und verweigerten die Arbeit. Als um 8.30 Uhr ein FDGB-Funktionär zur Arbeit antreiben wollte, schallte es ihm entgegen: “Hau ab, es ist zu spät!” Achtzig Bauarbeiter des “Volkseigenen Betriebes” Bau-Union Berlin nahmen nun den Marsch zum Regierungssitz in der Leipziger Straße auf. Wenige Stunden später waren es Zehntausende. Die Volksmasse rief immer wieder: “Berliner, reiht Euch ein, wir wollen keine Sklaven sein!” Unter den Linden, am Alexanderplatz, in der Leipziger Straße: überall strömte das werktätige Volk – jung und alt, Mann und Frau – zusammen. War dies die Revolution des Proletariats gegen die “Diktatur des Proletariats”? Die Forderungen nach Brot, Freiheit und deutscher Einheit sprachen zweifelsohne eine deutliche Sprache.
Bonn bleibt untätig
In der beschaulichen Rheinbund-Hauptstadt Bonn beeilte man sich zwar, den Aufgestandenen Mut und Richtigkeit des Anliegens zu bescheinigen. Von handfesten politischen Schritten zur Unterstützung der um soziale und nationale Selbstbestimmung ringenden Mitteldeutschen wollten sich die im Besatzungsstatut eingerichteten Bonner Herren aber nichts wissen. Die damalige Verunsicherung der SED und die Passivität der Sowjets hätten dabei anfänglich große deutschlandpolitische Perspektiven geboten.
Trotz gegenteiliger Weisungen der amerikanischen Besatzer verbreitete der Rundfunksender RIAS am 17. Juni um 5 Uhr morgens den Aufruf zum Generalstreik und machte den Arbeiteraufstand über Berlin hinaus bekannt. Die Streikenden verbanden sofort soziale Forderungen mit nationalen: Rücknahme der Normerhöhungen, Preissenkungen, Rede- und Pressefreiheit, Entlassung politischer Gefangener, freie Wahlen für Gesamtdeutschland und Abzug der Besatzungstruppen. Schließlich die fast alle Herzen zum Glühen bringende Forderung nach Wiedervereinigung.
Deutschlandlieder ertönten
Am Vormittag des 17. Juni griff der Generalstreik von Berlin auf Jena, Magdeburg, Halle, Görlitz und Rostock über. Der spätere Bundespräsident Karl Carstens erinnerte sich an diesen Tag: “Sie (die Arbeiter; Anm. d. Verf.) sangen das Deutschlandlied. Auf dem Markplatz in Halle sangen sie unablässig das Deutschlandlied, als ihnen Panzer den Rückzug versperrten. Überall entrollten sie die schwarz-rot-goldene Fahne. Es war ein leidenschaftlicher Appell an (…) die Einheit unseres Volkes, an Freiheit, Gerechtigkeit und brüderliche Solidarität.”
Als nun diese höchst eigendynamische Erhebung nationaler Arbeiter die SED-Herrscher aus ihren Sätteln zu heben drohte, und im Erfolgsfall alle osteuropäischen Völker zur Freiheit hätte hinreißen können, entschied sich Moskau für die blanke Gewalt des Imperialismus. Panzer fuhren in die von Volksmassen angefüllten Straßen. Bereits am 17. Juni selbst floß deutsches Arbeiterblut in den Straßen der ehemaligen Reichshauptstadt. Der Publizist Wolfgang Strauss stellte zu diesen dramatischen Stunden im damaligen Berlin fest: “Die Massen ohne Waffen singen das Deutschlandlied, alle Strophen, aber immer wieder die erste Strophe. Der Aufstand, der Generalstreik, die Revolte gegen Bonzokratie und Normenschinderei – der soziale Protest weitet sich aus zur Nationalrevolution.” Unvergessen die Aktion junger Berliner, die vom Brandenburger Tor die Rote Fahne herunterholten und Schwarz-Rot-Gold im Winde erflattern ließen, als unter ihnen schon Panzerspähwagen der sowjetischen Besatzungsmacht stehen. Die westdeutsche Regierung hatte in dieser dramatischen Situation, die das allerhöchste Maß an nationaler Solidarität erfordert hätte, nur feierliche Worte parat. Dachten etwa die schon damals stets von “Menschenrechten” faselnden Westmächte daran, den bedrängten und unbewaffneten Arbeitern zu Hilfe zu kommen? Nicht im Traum! Das Verhängnis nahm seinen Lauf und der mitteldeutsche Arbeitertraum vom freien, gerechten und einigen Deutschland wurde von Sowjetpanzern im Verein mit SED-Arbeiterverrätern im Blut ertränkt.
Selbst die opferrelativierende BRD-Geschichtsschreibung geht von bis zu 300 Todesopfern, unzähligen Verletzten und 1400 Aufständischen aus, die zu langjährigen Haftstrafen in DDR-Kerkern verurteilt wurden. Als Folge des niedergeworfenen Aufstandes konnte Ulbricht seine Machtposition wieder festigen. Der 17. Juni wurde in der BRD zum gesetzlichen Feiertag – allerdings nur bis zum Jahre 1990. Seitdem hält man den nationalen Arbeiteraufstand in der DDR nicht mehr für erinnerungswürdig, weil die BRD-Mächtigen vor dem Gedanken eines neuen Volksaufstandes erschaudern.
Jürgen W. Gansel, MdL
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