NPD-Fraktion weiterhin skeptisch im Hinblick auf die geplante Verfassungsänderung
In der heutigen Sondersitzung des Landtages zur Änderung der Verfassung des Freistaates Sachsen zwecks Verankerung einer Schuldenbremse erklärte der stellvertretende NPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Johannes Müller, daß die Nationaldemokraten die Vorschläge der einbringenden Fraktionen CDU, SPD, FDP und Grüne prüfen werden und daher zum jetzigen Zeitpunkt noch kein abschließendes Votum erkennen lassen.
Grundsätzlich lehne man ein Neuverschuldungsverbot nicht ab, so Dr. Müller, dennoch gebe es aus Sicht der NPD-Fraktion durchaus kritikwürdige Punkte, wobei er unter anderem auch das Glaubwürdigkeitsdefizit der Initiatoren des Verfassungsänderungsentwurfs ansprach. Zudem müsse weiterhin gewährleistet bleiben, daß infrastrukturelle Maßnahmen wie der Straßenbau nicht beeinträchtigt werden. „Es darf am Ende natürlich nicht dazu führen, daß die Bürger die Zeche zahlen müssen, indem alle möglichen staatlichen Ausgaben auf ein Minimum reduziert werden, weil ja die Schuldenbremse eingehalten werden muß“, so Dr. Müller.
So kritisierte Dr. Müller zu Beginn seiner Rede in deutlichen Worten den Umstand, daß bei einem Beratungsgegenstand, der zu einer finanziellen Entlastung des Landes führen soll, eine Extra-Sitzung anberaumt wurde. „Hier werden wieder tausende Euro zusätzlich ausgegeben, nur um die Eitelkeit der einreichenden Fraktionen zu befriedigen“, so der NPD-Fraktionsvize.
Gleichwohl betonte er, daß die NPD-Fraktion die vorgesehene Schärfung des Sozialstaatsprinzips in Art. 94, Abs. 2 ausdrücklich begrüße. „Der soziale Ausgleich als weiterer Grundsatz bei der Aufstellung und Ausführung des Haushalts neben dem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht, der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit ist sicher eine sinnvolle Ergänzung“, so Dr. Müller.
Dr. Müller wies allerdings auch darauf hin, daß Sachsen nicht „im luftleeren Raum“ agieren könne. Hierzu führte er aus:
„Im gesamtstaatlichen Maßstab haben wir heute eine gigantische Verschuldung, die durch die Rettungsschirme zum Überleben des Euros in den Pleitestaaten noch weiter aufgebläht wurde. Ein Ende dieser Entwicklung ist auch noch nicht absehbar, vielmehr kommen tauchen immer neue Kandidaten für Rettungsmaßnahmen auf.
Genau da ist der Pferdefuß Ihres Vorhabens, den Sie durchaus erkannt haben, denn die Entlastung für die Kommunen soll nur greifen, wenn die Landesebene für Mehrausgaben direkt verantwortlich ist. Deshalb streuen Sie mit Ihrer Propaganda zu diesem Gesetzentwurf den Bürgern eben auch Sand in die Augen, weil Sie den Eindruck zu erwecken versuchen, hier werde eine allgemeine Schuldenbremse in der sächsischen Verfassung verankert.“
In einem weiteren Redebeitrag übte der haushaltspolitische Sprecher der NPD-Fraktion, Arne Schimmer, grundsätzliche Kritik am Verständnis der herrschenden Parteien von der Rolle der Staatsfinanzen. Man agiere nach dem Motto: „Was interessiert uns die Finanzpolitik als Steuerungsinstrument für unsere sächsische Wirtschaft?“ Der allgemeine Mangel an Haushaltsdisziplin sei nur der Auslöser, jedoch nicht die eigentliche Ursache der heutigen Staatsschuldenkrise im gesamten Euro-Raum. Die Ursache liege vielmehr in der Vorstellung einer „angeblich erstrebenswerten Gleichschaltung aller Volkswirtschaften, vor allem durch die gemeinsame Währung Euro und das rigorose Wettbewerbs- und Regulierungsregime durch den Brüsseler EU-Moloch“.
Einmal mehr wies Schimmer in diesem Zusammenhang auch auf die von den Etablierten immer wieder ausgeblendete Target2-Problematik hin und verglich die Zahlen mit der sächsischen Verschuldungssituation.
Hierzu führte Arne Schimmer aus:
„Sachsens Gesamtverschuldung – aus direkter Kreditverschuldung und impliziter Verschuldung durch Versorgungslasten – beträgt etwas über 30 Milliarden Euro.
Gleichzeitig hat die Bundesrepublik Deutschland einen positiven Target2-Saldo von ca. 600 Milliarden Euro. Wie Professor Sinn überzeugend gezeigt hat, sind das nichts anderes als 600 Milliarden Euro deutsche Kredite, also Forderungen, an das Ausland.
Da Sachsen einwohnermäßig etwa ein Zwanzigstel von Deutschland ausmacht, könnte man nun rein rechnerisch auch ein Zwanzigstel des Target2-Saldos dem Freistaat zuordnen. Also: 600 durch 20 gleich 30 Milliarden Euro. – 30 Milliarden Euro Forderungen, die 30 Milliarden Euro Verbindlichkeiten gegenüberstehen.
Ich höre schon den Widerspruch: Die beiden Sachen haben doch mit einander nichts zu tun! Der Target2-Saldo betrifft ja im wesentlichen die Bundesbank und hat doch mit dem sächsischen Staatshaushalt nichts zu tun! Das ist natürlich in haushaltstechnischer beziehungsweise währungsrechtlicher Hinsicht richtig. Ein Finanzminister, der mit Hinweis auf den deutschen Target2-Saldo eine hohe Staatsverschuldung rechtfertigen würde, wäre sicherlich schlecht beraten.
Und dennoch ergibt der Vergleich volkswirtschaftlich Sinn. Denn der Target2-Saldo ist Ausdruck eines Leistungsbilanzüberschusses und dieser wiederum, zumindest nach dem Lehrbuch, gleichbedeutend mit einem Kapitalexport. Damit wird der Binnenwirtschaft Nachfrage entzogen, was sich besonders auf die Wirtschaft in den wirtschaftlich benachteiligten Bundesländern, zu denen Sachsen nach wie vor gehört, negativ auswirkt, während es in Boom-Regionen beziehungsweise für bestimmte Einkommensgruppen die umgekehrte Wirkung hat. Dies führt dann in einer Region wie Sachsen zu relativ niedrigen Steuereinnahmen, was den Staatshaushalt wie auch die kommunalen Haushalte belastet.“
Am Ende seiner Ausführungen äußerte Schimmer:
„Es ist mindestens schizophren, wenn die herrschende politische Klasse einerseits die wohl größte Schuldenvergemeinschaftung der neueren Geschichte beschließt, um andererseits auf nationaler Ebene eine Schuldenbremse einführen zu wollen.
So lange dieser Widerspruch von der politischen Klasse nicht wahrgenommen und beharrlich verdrängt wird, brauchen wir uns über das Instrument einer Schuldenbremse eigentlich nicht unterhalten.“
Thorsten Thomsen
Pressesprecher der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag
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