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So ein Zufall aber auch: Akten zu Staatsschutz-Spitzel Thomas S. durch Hochwasser vernichtet

16.11.2012 | von Frank Franz

Arne Schimmer (NPD): „Was hat der Staat bei der Produktion der Landser-CDs zu verheimlichen?“ Im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum sogenannten „NSU“ taucht immer wieder der Name des ehemaligen Staatsschutz-Spitzels Thomas S. auf. Er hatte nach eigenen Angaben die zunächst als „Jenaer Bombenbastler“ bezeichneten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 1996/97 mit 1,1 Kilogramm Sprengstoff versorgt. Als Grund hierfür gab er gegenüber der Tageszeitung „Die Welt“ an, er hätte damit seine zeitweilige Lebensgefährtin Beate Zschäpe, die Dritte im sogenannten „Zwickauer Trio“, beeindrucken wollen. Diese Zusammenhänge wurden von den Ermittlungsbehörden nicht geklärt, obwohl es ausreichend Hinweise gab. Dafür sprechen nicht nur beschlagnahmte Adreßlisten, sondern auch die Tatsache, daß das Trio Kontakt zu Thomas S. während seiner Haftzeit in der JVA Waldheim – also quasi unter staatlicher Aufsicht – in Form von Briefen und Besuchen pflegte. Thomas S. soll sich nach dem Abtauchen von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe im Jahr 1998 revanchiert haben, indem er bei der Unterbringung der drei Gesuchten half. Im Jahr 2000 kaufte sich jener Thomas S. dann in die konspirative Produktion und den Vertrieb einer CD der Gruppe „Landser“ ein. Dafür investierte er privat über 9.000 DM und klärte organisatorische Detailfragen. Er half aber auch den Ermittlern bei der Aufklärung dieser Vorgänge. Entsprechend milde fiel die Bewährungsstrafe aus, und Thomas S. arbeitete ab diesem Zeitpunkt bis 2011 für das Berliner LKA als V-Mann. Übung hatte er in dieser Tätigkeit schon, ist er doch laut Medienberichten seit 1986 Informant der Polizeiabteilung K1 des Innenministeriums der DDR gewesen. Die Frage drängt sich also förmlich auf, inwieweit Thomas S. in der Zeit zwischen 1990 und 2000 mit staatlichen Behörden zusammengearbeitet hat. Um diese Zusammenhänge zu klären, hat der NPD-Abgeordnete Arne Schimmer, der die Nationaldemokraten als Obmann im „NSU“-Untersuchungsausschuß vertritt, mehrere Kleine Anfragen an die Sächsische Staatsregierung gestellt. Die Antworten von Innenminister Markus Ulbig (CDU) sind nun eingetroffen. Im Ergebnis (Drs. 5/10211) liegen der Staatsregierung angeblich „keine Erkenntnisse“ vor, woher die 9.000 DM stammen, die der mutmaßlich mittellose Thomas S. nach mittlerweile bekanntgewordenen Ermittlungsergebnissen in die Produktion der „Landser“-CD investieren wollte. Dies ist höchst merkwürdig, denn Thomas S. befand sich zu dieser Zeit nach Informationen, die der NPD-Fraktion vorliegen, in einer finanziell höchst prekären Situation. Dies wird auch durch eine weitere Antwort der Staatsregierung bestätigt, die angibt, daß Thomas S. um die Jahrtausendwende herum eine Arrestsumme von 31.500 DM entrichten mußte, die ihm im Zuge einer Vermögensabschöpfung entzogen wurde. Kann man wirklich ernsthaft annehmen, daß Thomas S. trotz dieser Maßnahme und einer zuvor verbüßten längeren Haftstrafe aus eigenen Mitteln eine CD-Produktion finanzieren konnte? Der Antwort auf eine weitere Kleine Anfrage (Drs. 5/ 10394) Schimmers ist zu entnehmen, daß Thomas S. im Jahr 2008 im Zusammenhang mit einer Anstellung bei einer Dresdener Hochtechnologie-Firma einer Sicherheitsüberprüfung durch das „Bundesamt für Verfassungsschutz“ unterzogen wurde. Merkwürdig hierbei ist, daß das sächsische „Landesamt für Verfassungsschutz“ keinerlei Sicherheitsbedenken äußerte, obwohl es vom Bundesamt über den Vorgang informiert wurde und im Jahr 2000 eine G10-Maßnahme gegen Thomas S. und andere mutmaßliche Mitglieder bzw. Unterstützer des „NSU“ lief. Erst 2010 wurde eine Benachrichtigung darüber an die (erreichbaren) Betroffenen herausgegeben, weil es vorher als zu riskant erschien. Über die Tätigkeit des Thomas S. als Informant der Polizeiabteilung K1 und eine mögliche Fortsetzung über das Jahr 1990 hinaus will Innenminister Ulbig ebensowenig Kenntnis haben wie über Kontakte zu Ermittlungsbehörden während der Haftzeit in der JVA Waldheim. Und auch die Gründe für die vorzeitige Entlassung können angeblich nicht mehr angegeben werden. In der Antwort der Staatsregierung auf eine entsprechende Kleine Anfrage (Drs. 5/10395) Schimmers heißt es: „Die sich auf die Verurteilungen beziehenden Verfahrensakten sind durch Hochwasser bzw. nach Ablauf der vorgeschriebenen Aufbewahrungsfristen vernichtet worden.“ Der NPD-Abgeordnete Arne Schimmer erklärte dazu heute: „Am 15. Oktober 2012 wurde bekannt, daß der Berliner ‚Verfassungsschutz‘ noch im Juni dieses Jahres Akten mit Informationen über die Berliner Rechtsrockband ‚Landser? schreddern ließ – unter anderem deswegen mußte die Berliner ‚Verfassungsschutz‘-Chefin Claudia Schmid vor kurzem ihren Hut nehmen. Die derzeit noch von Berlins Innensenator Frank Henkel verbreitete Version lautet, daß die Vernichtung dieser Akten auf Zufälle und unerklärliche Pannen zurückzuführen ist. Die Antworten der Sächsischen Staatsregierung auf meine Anfrage zu den Hintergründen des V-Mannes des Berliner Landeskriminalamtes Thomas S. legen einen völlig anderen Schluß nahe, denn alle Indizien und die der NPD-Fraktion vorliegenden Informationen deuten darauf hin, daß sich Thomas S. im Jahr 2000 in einer äußerst angespannten finanziellen Situation befand und sich deshalb nicht aus Eigenmitteln an einer CD-Produktion beteiligen konnte. Die Vermutung liegt nahe, daß S. die Gelder von staatlichen Behörden bekam und die Berliner Aktenvernichtungsaktion im Juni dieses Jahres deshalb kein Versehen, sondern eine gezielte Vertuschungsaktion war. Eine solche Interpretation der Ereignisse sollte keinesfalls leichtfertig als Verschwörungstheorie abgetan werden. Erst heute berichtete die ‚Süddeutsche Zeitung‘ über einen früheren V-Mann des bayerischen ‚Verfassungsschutzes‘, der erst als Spitzel in der linken Szene eingesetzt wurde, bevor er in Franken nationale Strukturen ausspähte und dort mit staatlichen Geldern das ‚Thule-Netzwerk‘ aufbaute, das später öffentlichkeitswirksam vom sogenannten ‚Verfassungsschutz‘ bekämpft wurde. Die Rolle der staatlichen Behörden bei solchen Vorgängen wird in einem möglichen NPD-Verbotsverfahren genau untersucht werden müssen! Es ist weiterhin schon ein erstaunlicher Zufall, daß genau die Akten, die über die Gründe für die Hafterleichterung für Thomas S. hätten Auskunft geben können, angeblich im Elbe-Hochwasser des Jahres 2002 fortgespült wurden. Es ist das alte Lied: Überall dort, wo Akten Brisantes über die Arbeit der Geheimdienste oder anderer staatlicher Stellen zutage fördern könnten, werden diese Akten entweder durch angebliche Pannen vernichtet oder verschwinden anderweitig. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!“
Thorsten Thomsen
Pressesprecher der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag
Bernhard-von-Lindenau-Platz 1
01067 Dresden
Tel.: (0351) 493 49 00
Fax: (0351) 493 49 30

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