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Kein Stoppschild für die Räuberbande

12.09.2012 | von Frank Franz

Das Karlsruher ESM-Urteil ist eine Aufforderung an den Wähler, sein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen – eine Analyse „Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande“ – dieses Zitat des heiligen Augustinus führte Papst XVI. in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag im September 2011 an, die man auch als Kommentar zu den aktuellen Debatten um die sogenannte „Euro-Rettung“ und die damit einhergehende Entrechtung der Bürger und der nationalen Parlamente lesen kann. Zahlreiche Bürger in Deutschland hatten gehofft, daß das Karlsruher Verfassungsgericht der Schutzwall gegen die „große Räuberbande“ sein würde, der gerade die kleinen Leute in Deutschland vor Inflation und den deutschen Staatshaushalt vor der Inanspruchnahme durch fremde Staaten schützen würde. Das Institut YouGov hatte beispielsweise in einer kurz vor der Entscheidung des Verfassungsgerichts für die Deutsche Presse-Agentur erhobenen Umfrage ermittelt, daß sich 54 Prozent der Befragten einen Sieg der Euro-Skeptiker in Karlsruhe wünschen würden. Keine feste Haftungsobergrenze Alle diese Hoffnungen sind am 12. September enttäuscht worden: Die Karlsruher Richter haben den verhängnisvollen Kurs der „Rettungspolitik“ der Bundesregierung weitgehend bestätigt: Die Vergemeinschaftung der Schulden des Euro-Raumes, die schon mit dem ersten Rettungsschirm EFSF begonnen wurde, darf fortgesetzt werden, obwohl das sogenannte No-Bail-Out-Prinzip – also das Verbot, für die Schulden fremder Staaten einzustehen – in der Einführungsphase des Euros noch als das angeblich wichtigste und zentralste Prinzip der Währungsunion dargestellt wurde. Die unfaßbare Summe von 190 Milliarden Euro, die ja jetzt vom Bundesverfassungsgericht als Haftungsobergrenze benannt wurden, bedingungslos und unverzüglich auf Zuruf eines demokratisch weder legitimierten noch kontrollierten „Gouverneursrat“ bereitstellen zu müssen, bedeutet schon eine weitgehende Selbstkastration des Parlaments und einen denkbar weitgehenden Souveränitätsverzicht Deutschlands – diese Summe entspricht ungefähr zwei Dritteln des deutschen Bundeshaushalts. Hinzu kommt noch, daß die Haftungsobergrenze von 190 Milliarden kein fester „Deckel“, sondern weich ist, und durch einen Bundestagsbeschluß jederzeit nach oben hin erweitert werden kann – der im Urteil des Verfassungsgerichts nun festgeschriebene Parlamentsvorbehalt ist noch der größte Erfolg, den die Euro-Skeptiker in Karlsruhe herausholen konnten. Enttäuschend ist auch die Ablehnung des Eilantrages des CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler, der gefordert hatte, das unbegrenzte Anleihenkaufprogramm der EZB sofort einer verfassungsrechtlichen Prüfung zu unterziehen. Die Karlsruher Richter verwarfen diesen Antrag allen Ernstes als unbegründet, was EZB-Chef Draghi nun die Zeit gibt, über die Notenpresse vollendete Tatsachen zu schaffen – so hat der amerikanische Notenbankchef Ben Bernanke bei zwei Anleihekaufprogrammen der US-Notenbank FED, die unter der Bezeichnung „Quantitative Easing“ bekannt wurden, innerhalb weniger Monate zwei Billionen US-Dollar in die Märkte gepumpt. Schicksalsfrage EZB-Anleihenkäufe Mit dem EZB-Anleihekaufprogramm will sich Karlsruhe nun im Hauptverfahren befassen, das sich über Monate hinstrecken kann. Zurecht hatten viele Beobachter schon vor der ESM-Entscheidung des Verfassungsgerichts bemerkt, daß diese ja nun eigentlich obsolet geworden sei, wenn die EZB in Zukunft ohne Limit und ohne irgendeine Regierungs- oder Parlamentsbeteiligung die Staatsanleihen von insolvenzgefährdeten südeuropäischen Staaten aufkauft und hierbei in Zukunft dann nicht mehr Milliarden-, sondern Billionensummen versenkt werden. Schon in den vergangenen vier Jahren ist die EZB-Bilanzsumme von einer Billion Euro auf über drei Billionen Euro gestiegen – wenn diese Entwicklung sich fortsetzt, dann wird die Euro-Zone zu einem Hochinflationsgebiet. Der Karlsruher Entscheidung im Hauptsacheverfahren wird deshalb nochmals höchste Bedeutung zukommen – ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts könnte zwar nicht direkt in die EZB-Politik eingreifen, Karlsruhe könnte aber die Bundesregierung dazu zwingen, die EZB vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg wegen des Anleihekaufprogramms zu verklagen. Insgesamt kann man nach dem mit so großer Spannung erwarteten ESM-Urteil des Verfassungsgerichts sagen, daß der Ball wieder in der Spielhälfte der Wähler liegt. Der schönste Parlamentsvorbehalt ist wirkungslos, wenn Bundestagswahl für Bundestagswahl überwiegend stromlinienförmige Abnicker in den Bundestag geschickt werden, deren geistiger Horizont die engen Grenzen der Fraktionsdisziplin nicht übersteigt. Angela Merkel und Wolfgang Schäuble müssen sich in ihrem Enteignungskurs gegenüber dem eigenen Volk auch noch grandios bestätigt fühlen, wenn die CDU im Zuge einer eskalierenden Euro-Krise in Umfragen auf ein Mehrjahreshoch von 39 Prozent klettert. Wenn dem Wähler die Euro-Krise so wichtig ist, wie dies verschiedene Umfragen signalisieren, dann hat er es in der Hand, nun auch die entsprechende politische Alternative in die Parlamente zu schicken. Arne Schimmer, MdL
Haushaltspolitischer Sprecher der NPD-Fraktion

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