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Sechs Thesen zum geplanten NPD-Verbot

29.11.2011 | von Frank Franz

Vorbemerkung: Im Jahr 2000 veröffentlichte ich in der von Andreas Röhler und Peter Töpfer herausgegebenen Zeitschrift „Sleipnir“ angesichts des herannahenden ersten NPD-Verbotsverfahres fünf Thesen zur NPD-Verbotsdebatte. Als mir der Text jetzt zufällig wieder in die Hände fiel, da war festzustellen, daß er auch aus der Distanz von elf Jahren noch fast unverändert aktuell war –  die fünf Thesen mußten nur um eine weitere über den Fortgang des Staatszerfalls in den vergangenen elf Jahren ergänzt werden, denn mittlerweile deutet viel darauf hin, daß der Staat sich auch seinen terroristischen Untergrund selbst organisiert oder diesen aber bewußt agieren läßt. 1. Der „Kampf gegen Rechts“, als dessen zentraler Bestandteil das Verbot der NPD geplant ist, reiht sich ein in die unheilvolle Tradition der Staatszerstörungen, die zu den Katastrophen des 20. Jahrhunderts führte. Sie hatten ihre Wurzeln in der Zerstörung der Staatsdialektik von Schutz und Gehorsam. Das an Julius Streicher erinnernde Spektrum verbalpornographischer Ausfälle selbst höherer politischer Repräsentanten wie „braune Ratten“, „rechtes Ungeziefer“ oder „mit Stumpf und Stiel ausrotten“ dokumentiert den Willen der politischen Klasse zur Exklusion der Patrioten vom Gemeinwesen. In dieser Hinsicht imitiert der „Kampf gegen Rechts“ ironischerweise den historischen Nationalsozialismus und dessen Scheitern: „Des Scheiterns erster Hauptgrund war: das Dritte Reich fußte auf einem Fundamentalismus als Bürgerkriegspartei. Seine Volksgemeinschaft schloß sozialdarwinistisch zu viele aus: Sozialisten, Aristokraten, konservative Offiziere, Kirchen, Vertreter der deutsch-jüdischen Symbiose, ‘entartete’ Künstler, Homosexuelle. Eingliederungsbereitschaft nützte wenig. Sympathisierende Warnungen nützten nichts. Das Regime setzte sich propagandistisch unter Vollzugszwang“ (Hans-Dietrich Sander, Thesen zum Dritten Reich). Die NPD kann den Vorwurf des Neonazismus also getrost an die Absender zurückgeben.

2. Der „Kampf gegen Rechts“ trieft vor Irrationalität. Man wähnt die deutsche Welt voller Dämonen und eine neurotisierte politische Klasse praktiziert ihren Exorzismus in Form des geplanten NPD-Verbots. Der „Kampf gegen Rechts“ ist nur teilweise hypermoralisch verbrämter Wille zur Macht und Machterhaltungsstrategie, bei vielen ist er schon Wahn und Wirklichkeitsverlust. Dort, wo der Antisemit überall die jüdische Weltverschwörung vermutet, sieht der Antifaschist überall das braune Gespenst, ob in Reden von Martin Walser, der Bildung einer bürgerlich-rechtsliberalen Regierung in Österreich oder überhaupt in jeglicher Kritik an Phänomenen der Moderne wie Beschleunigung, Abstrahierung, Quantifizierung oder Entortung. Merkwürdig ist dabei nur, daß die nationalsozialistischen Verbrechen einerseits zum tragenden, entrückten Element einer neuen Quasi-Religion gemacht werden sollen, andererseits aber bei jeder passenden und vor allem unpassenden Gelegenheit im tagespolitischen Streit verwurstet werden.

3. Mit dem NPD-Verbot soll ein „Symbol“ gegen „Rechts“ gesetzt werden. Abgesehen davon, daß eine derartige Vorgehensweise das staatliche Instrument des Parteienverbots pervertiert, schwelgt nur der Staat in symbolischer Politik, der seine realen Gestaltungsmöglichkeiten schon längst an Wirtschaft und Globalisierung abgetreten hat. Übrig bleibt eine Regierung, die zwar keine Deutschen mehr, dafür aber nur noch Menschen kennt – der Staat als Lichterkette. Rot-Grün, das nach siebenjähriger Regierungszeit die saubere Bilanz eines Angriffskrieges, eines gescheiterten Antrags auf ein Parteiverbot und einer umfassenden Deregulierung der Finanzmärkte vorweisen kann, vergißt dabei, daß es traditionelle Politikfelder wie Pazifismus, Bürgerrechte, Meinungsfreiheit und Gesellschaftskritik räumt und anderen Kräften überläßt. Die Unionsparteien, die in der antifaschistischen Einheitsfront natürlich nicht fehlen dürfen, vergessen, daß man sie bald für den verhaßten rechten Rand der Republik halten könnte und daß sie bei einer Verselbständigung der Hetze „gegen Rechts“ nur verlieren können. So sind die Unionsparteien zwar zur Vorspiegelung von Gegensätzen systemnotwendig, andererseits aber als neuer antifaschistischer Prügelknabe gerade gut genug. Schon vor der Einleitung des letzten Verbotsverfahrens erreichte diese Entwicklung bei der an die DDR-Staatsparade erinnernden Gutmenschen-Demo am 9. November 2000 in Berlin einen Höhepunkt, als Paul Spiegel im Beisein der CDU-Vorsitzenden Merkel die vorsichtige Forderung der Union nach „deutscher Leitkultur“ mit dem Verbrennen von Synagogen und dem Ermorden von Obdachlosen gleichsetzte.

4. Seit 1989, das eine ebenso gewaltige historische Zäsur wie das Jahr 1789 darstellt, treten überall auf der Welt wieder die Völker als die Subjekte der Geschichte hervor. Die politische Klasse in den europäischen Staaten meint aus ideologischer Verblendung, daß sie diesen Prozeß zumindest in Europa aufheben könnte. Den Kampf gegen eine machtvolle historische Grundströmung kann man nur verlieren. In diesem Zusammenhang wäre ein NPD-Verbot so, als ob man nach Ernst Jüngers treffendem Wort die Barometer einschlägt, wenn ein Sturm aufzieht. Die Deutschen sind dabei wieder mal am gründlichsten und fallen in ihre größte Schwäche, den Extremismus, zurück. Am deutlichsten wird dieser Umstand dadurch dokumentiert, daß Leute, die Carl Schmitt ansonsten für den Leibhaftigen halten, selbst nur dazu imstande sind, das Recht als Waffe zu sehen, das es gerade so hinzubiegen gilt, daß es für das Verbot einer 7000 Mitglieder starken Partei reicht.

5. Der frühere bayerische Ministerpräsident Günter Beckstein sprach unlängst in einem Interview mit dem „Münchener Merkur“ sogar ganz offen davon, daß in seiner Amtszeit als Innenminister der „Kampf gegen Rechts“ oftmals unter Mißachtung rechtsstaatlicher Prinzipien geführt wurde – auch deshalb, „weil hier die Zustimmung in der Bevölkerung hier viel größer ist“ als bei Linksextremisten. Muß man sich angesichts solcher Aussagen noch darüber wundern, daß die linksalternative „taz“ über eine Ausschußsitzung des thüringischen Landtages berichtet, in der der Justizminister die Existenz eines Akten-Vermerks eingestanden haben soll, der eine Verbindung zum Verfassungsschutz oder gar eine V-Mann Tätigkeit von einer Person aus dem Terror-Trio nahelegt? Muß man sich noch darüber wundern, daß die sächsischen Meldebehörden nach Angaben des Mitteldeutschen Rundfunks für mindestens ein Mitglied der Zwickauer Terrorzelle einen Paß auf falschen Namen, also ein sogenanntes „legal-illegales“ Papier ausgestellt haben? Sollte sich tatsächlich herausstellen, daß der ominöse NSU unter den Augen des Staates mordete, dann hätte der Staatsverfall in Deutschland ein neues, vorher nicht für möglich gehaltenes Niveau erreicht und das Land, das einst von der ganzen Welt für seine Verwaltung und seinen Beamtenstand beneidet wurde, wäre auf italienisches Niveau herabgesunken. In Italien trieb die politische Klasse schon in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts das eigene Volk in den „bleiernen Jahren des Terrors“, der freilich oft staats- und geheimdienstinszeniert war, in einen blutigen Bürgerkrieg, um mit einer derartigen „Shock and Awe“-Strategie („Schock und Ehrfurcht“) das Volk zu spalten und zu paralysieren und die eigene Macht zu sichern. Sollen diese italienischen Verhältnisse, in denen die politische Klasse nicht mehr von der Mafia unterschieden werden kann, nun das Muster für einen von Räten und Kommissaren beherrschten und zentralistisch regierten EU-Staat abgeben?

6. Eine Demokratie hat die konstitutionelle Pflicht, den Austrag politischer Debatten nicht zu behindern. Genau darin scheint aber das Hauptinteresse der politischen Klasse der Berliner Republik zu bestehen. Sie zerstört damit irreversibel die Grundlagen der Bundesrepublik, die immer mehr der Light-Version, dem Zerrbild einer anderen antifaschistischen Diktatur auf deutschem Boden gleicht, die vor 21 Jahren im Orkus der Geschichte verschwand. Auch das Hauptmerkmal des Niedergangs, die ideologische Erstarrung und Verhärtung, die die für jedes Gemeinwesen unerläßliche Zirkulation der Ideen und Eliten verunmöglicht, ist in der späten BRD das gleiche wie in der späten DDR. Die vielfältige Verzahnung der politischen und wirtschaftlichen Probleme wird die Krise zwangsläufig immer stärker vertiefen und eine Jugend auf den Plan rufen, die die manische Fixierung auf das Materielle, die das einzige Band ist, mit dem das System sie noch an sich fesseln kann, überwindet. Sie wird den Keim legen, aus dem dann später der Baum der europäischen und deutschen Freiheit wachsen wird.

Arne Schimmer, MdL

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