NPD-Fraktion stellte weiteren Antrag zur Entlastung der Kommunen
Der heutige Antrag der NPD-Fraktion war als erneute Initiative im Sinne einer familien- und bevölkerungspolitischen Wende zu verstehen, mit der die Nationaldemokraten einen Beitrag zum Erhalt des Volkes leisten wollten. Die Staatsregierung wurde damit einerseits aufgefordert, den Stellenbedarf zur Sicherstellung des Rechtsanspruches auf Kinderbetreuung neu zu ermitteln und entsprechende Finanzmittel bereitzustellen. Andererseits sollte auf Bundesebene eine Aufstockung der Mittel für die Kinderbetreuung nach dem Kinderförderungsgesetz (KiföG ) erreicht und dabei die Kommunen gegenüber Bund und Land entlastet werden.
Die Nationaldemokraten im Sächsischen Landtag favorisieren zwar nach wie vor die Stärkung der Mutter als Hauptbezugsperson der Kinder für deren Betreuung und Erziehung. Eigenbetreuung gehe grundsätzlich immer vor Fremdbetreuung, so der NPD-Abgeordnete Andreas Storr, der seine kurzfristig erkrankte familienpolitische Sprecherin Gitta Schüßler vertrat. Hierzu habe die NPD in der Vergangenheit immer wieder richtungsweisende Initiativen vorgelegt, indem sie sich beispielsweise für ein sogenanntes Mütter- bzw. Elterngehalt eingesetzt habe. Es gelte aber auch, so Storr, die Realitäten anzuerkennen und die Familien jetzt, in der konkreten Lage, zu entlasten. Daher sei – solange die weitgehenden Vorstellungen der Nationaldemokraten zur Stärkung der familiären Betreuung nicht durchsetzbar seien – auch die Etablierung des Rechtsanspruches auf Kinderbetreuung für die unter Dreijährigen ab dem Jahre 2013 unter bestimmten Voraussetzungen zu begrüßen. Als größte Sorge aus Sicht der Eltern und im Sinne der Kinder nannte Storr, daß mangels personeller Ausstattung in der Kindertagespflege am Ende die Qualität der Betreuung darunter leiden könnte: “Angesichts der Tatsache, daß die Bertelsmann-Stiftung einen Personalschlüssel in der Kindertagespflege von 1:3 für optimal hält, der Freistaat Sachsen derzeit aber gerade einmal ein Verhältnis von 1:6 oder 1:7 gewährleisten kann, ist die Furcht vor einer Massenabfertigung unserer Kleinen und Kleinsten nicht unbegründet”. Die NPD-Fraktion fordert folglich, nach dem Vorbild Thüringens, die Gewährleistung eines Personalschlüssels von 1:4.
Der haushaltspolitische Sprecher der NPD-Fraktion, Arne Schimmer, wies auf die aus der Umsetzung des KiföG resultierenden finanziellen und rechtlichen Risiken für das Land und die Kommunen hin. Schimmer: “Der Sächsische Städte- und Gemeindetag geht von einer Inanspruchnahme bei den unter Dreijährigen von mindestens 50% aus. Selbst unter Beibehaltung des jetzigen Personalschlüssels ergibt sich für die Kommunen eine Finanzierungslücke von zusätzlichen 180 Millionen Euro Investitionskosten und weiteren laufenden Betriebskosten von mindestens 83 Millionen Euro jährlich. Das sind die Kosten, auf denen die Kommunen sitzen bleiben werden, da der Freistaat sich aus der Verantwortung stiehlt. Unter diesen Umständen wird der Rechtsanspruch nicht durchsetzbar sein – eine Klagewelle ohne Beispiel könnte auf die Kommunen zurollen. Und dabei legen Umfragen den Schluß nahe, daß es bei einer 50%igen Inanspruchnahme nicht bleiben wird, daß die Nachfrage sogar noch deutlich höher ausfallen könnte.”
Die von der Koalition bereitgestellten 16 Millionen Euro werden auf keinen Fall ausreichen, die Kommunen ausreichend zu entlasten, so der NPD-Abgeordnete Arne Schimmer auf eine Zwischenfrage des CDU-Abgeordneten Patrick Schreiber, dessen eigener Redebeitrag an inhaltlicher Dürftigkeit wieder einmal kaum zu überbieten war.
Die dem Antrag der NPD-Fraktion zugrundeliegenden juristischen und haushaltspolitischen Einwände und Befürchtungen erhielten erst kürzlich neue Nahrung, als der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen mit Datum vom 12. Oktober 2010 erstmalig den Klagen von insgesamt 17 kreisfreien Städten stattgab. Er entschied, daß das Kinderförderungsgesetz mit der dortigen Landesverfassung nicht vereinbar ist, da es das Recht auf kommunale Selbstverwaltung verletze. Für die Kreise und kreisfreien Städte ergäben sich signifikante Änderungen bei der kommunalen Aufgabenwahrnehmung, da sich insbesondere die Vorgaben für den quantitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung erheblich erhöht hätten. Arne Schimmer hierzu: “Es ist davon auszugehen, daß dieses Urteil letztlich auch für den Freistaat Sachsen Bedeutung erlangen wird. In diesem Fall würde das Land juristisch dazu gezwungen werden, den Kommunen die erforderlichen Finanzmittel bereitzustellen. Die aktuelle Haushaltsplanung könnte sich schon bald als Makulatur erweisen.”
Einen tiefen Einblick in sein Amts- und Politikverständnis gab der CDU-Parlamentarier Peter Schowtka, der den NPD-Abgeordneten Schimmer und Storr ihre bisherige eigene Kinderlosigkeit vorhielt und ihnen deshalb das Recht absprach, zu dem Thema Stellung zu nehmen. Offenbar muß man nach Schowtkas Auffassung als Politiker immer persönlich betroffen sein. Nach dieser Logik dürfte zur Behindertenpolitik nur ein Behinderter sprechen und Debatten über Hartz IV müßten ganz ausfallen, weil keiner der Landtagsabgeordneten Arbeitslosengeld II bezieht.
Deutlicher als dieser CDU-Vertreter kann man kaum klarstellen, daß man in der Union Politik vor allem im Eigen- statt im Allgemeininteresse betreibt.
Die Chemnitzer Grünen-Abgeordnete Annekathrin Giegengack zeigte ihr Unvermögen, den Redebeiträgen der NPD inhaltlich zu folgen und erging sich in vermeintlichen Enthüllungen über die NPD-Familienpolitik, indem sie Widersprüche konstruierte, wo gar keine vorhanden sind. Offensichtlich hat sie nicht verstanden, daß man durchaus für die finanzielle Entlastung der Kommunen bei der Kinderbetreuung eintreten kann, auch wenn man grundsätzlich die Erziehung der Kinder in der Familie bevorzugt.
Der NPD-Antrag zur Sicherstellung einer qualifizierten Kinderbetreuung hat mit dem Urteil aus Nordrhein-Westfalen neue Brisanz erhalten. Die heutige Ablehnung der Initiative der Nationaldemokraten kann dem Freistaat Sachsen in absehbarer Zeit eine juristische Blamage einbringen.
Holger Szymanski
Pressesprecher der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag
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