Die sogenannte „Sachsen-Sumpf-Affäre“, die im Spätsommer 2007 bundesweit für Erschütterung sorgte, ist wieder in die Schlagzeilen geraten, nachdem sie zwischenzeitlich von den CDU-Ministerpäsidenten Georg Milbradt und Stanislaw Tillich als Hirngespinst einer übereifrigen Beamtin abgetan worden war. Am vergangenen Montag, den 26. Januar 2009, sagte nun die Schlüsselzeugin vor dem Untersuchungsausschuß zur sächsischen Akten-Affäre aus.
Simone Henneck (49), die ehemalige Chefin des Referats Organisierte Kriminalität (OK) im Landesamt für Verfassungsschutz (LfV), verlas zu Beginn ihrer Vernehmung durch den Zweiten Untersuchungsausschuß des Sächsischen Landtags eine beeindruckende, vier Stunden dauernde Erklärung. Darin erhob sie schwere Vorwürfe gegen die damalige und heutige Leitung des sog. „Landesamtes für Verfassungsschutz“, aber auch gegen Staatsanwälte und das Innenministerium. Unterbrochen von mehreren krankheitsbedingten Pausen, arbeitete die ehemalige Verfassungsschützerin insgesamt 32 Einzelpunkte ab.
Sie wies die regierungsamtliche Behauptung zurück, unter ihr habe sich das Referat verselbstständigt, Akten wären aufgebauscht und elementarste nachrichtendienstliche Regeln mißachtet worden. Eine der Schlüsselaussagen von Henneck lautete: „Es gab zu keiner Zeit die Schaffung einer Parallel-Aktenwelt.“ Sie zitierte zahlreiche von ihr gefertigte Aktenvermerke und eine Handvoll Zeugen, die belegten, daß Henneck ihr Vorgehen die ganze Zeit über mit der Leitung des Landesamtes abgestimmt hatte. Dies beweise auch die Tatsache, daß der Ex-Verfassungsschutzpräsident Rainer Stock seit 2004 mehrmals das Innenministerium schriftlich und mündlich über eine Reihe von Interna der Leipziger OK-Komplexe informiert habe.
Henneck wies darauf hin, daß 2006 der damalige sächsische Innenminister Thomas de Maizière (CDU) aufgrund ihrer Ermittlungen entschieden habe, trotz eines entgegengesetzten Urteils des Verfassungsgerichts an der Beobachtung der organisierten Kriminalität durch das Landesamt für Verfassungsschutz festzuhalten. Auch dessen Nachfolger, der wohl in seinem Amt überforderte Dr. Albrecht Buttolo, habe ihr persönlich telefonisch den Dank des Freistaates für ihre Arbeit übermittelt. Informiert gewesen seien auch die Abgeordneten Volker Bandmann, Marco Schiemann (beide CDU) sowie Stefan Brangs (SPD).
Vehement bestritt Henneck, daß der von ihr zusammengetragene Aktenbestand lediglich auf einer Quelle namens Gemag basiert habe, hinter der der frühere Leipziger Polizeikommissar Georg Wehling vermutet wird. Ihre Aktenvermerke hätten auf mindestens neun Hinweisgebern (!) basiert.
Das, was sie im Anschluß über die Arbeitsweise der Leitung des sächsischen Verfassungsschutzes referierte, zeigt, wie sich dieses Organ inzwischen über alle dienstrechtlichen, verfassungsrechtlichen und sonstigen Vorgaben und Bedenken hinwegsetzt. So zeichnete laut Henneck der Vize-Chef des Verfassungsschutzes Dr. Olaf Vahrenhold ab Mitte 2006 plötzlich von der Referatsleiterin eingereichte Dossiers und Protokolle nicht mehr auf dem Original ab, sondern heftete leicht entfernbare, gelbe Klebezettelchen an den Rand, durch deren Entfernung er den Beweis seiner Kenntnisnahme hätte verschleiern können. Ab dem 20. Dezember 2006 forderte Dr. Vahrenhold plötzlich die Vernichtung der Zettel, wenig später, so die Zeugin, wurden wesentliche Akten aus dem OK-Bereich herausgelöst und später vernichtet. Weitere Mitarbeiter seien mündlich beauftragt worden, Aktenbestände zu schreddern. Der damalige Präsident des Verfassungsschutzes, Reinhard Boos, hätte die Klarnamen von sechs V-Leuten an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet und so nicht nur ein ehernes Prinzip der Vertraulichkeit von Informanten verletzt, sondern diese Personen damit sogar an Leib und Leben gefährdet.
Völlig desillusioniert vom Zustand der „Rechtsstaatlichkeit“ der Justiz in Sachsen rechnete die vormalige hochrangige Beamtin vor allem mit der Art und Weise ab, wie von ihrem Dienstherrn sowie dem Innenministerium und der Staatsanwaltschaft ab dem 3. Juli 2007 systematisch versucht wurde, das Ansehen und die physische und psychische Befindlichkeit der schwer erkrankten Referatsleiterin zu untergraben. Henneck beschrieb die derzeitige Justiz in Sachsen als einen Rückfall ins Mittelalter und sah sich selbst als Opfer einer Hexenverfolgung und der Staatsräson.
Bewußt habe man auf der Leitungsebene des Verfassungsschutzamtes versucht, am 3.Juli 2007 nach einem physischen Zusammenbruch Frau Hennecks wegen einer akuten Hirnhautentzündung deren Abtransport aus der Behörde mit dem Notfallwagen zu verzögern, die Sanitäter des Zimmers verwiesen und die bereits Bewegungsunfähige durch Androhung von Disziplinarverfahren und Anzeigen an den Rand eines Nervenzusammenbruchs zu bringen. Staatsanwälte und beauftragte Kollegen brachten sich mit Tricks in den Besitz ihrer Geheimnummern, untergruben ihre Rekonvaleszenz durch Drohanrufe und ruinierten so auf Dauer ihre Gesundheit. Frau Henneck sprach in diesem Zusammenhang im vollen Bewußtsein der juristischen Tragweite von „psychischer Folter“ und von der Außerkraftsetzung sämtlicher rechtsstaatlicher Schranken durch die Staatsanwaltschaft.
Sie prangerte eine perfide Pressearbeit des Sächsischen Staatsministeriums des Innern und eine „staatlich gesteuerte Medienbeeinflussung“ an. Ihre Beförderung zur Regierungsdirektorin wurde mit dem Hinweis auf ihre Vergangenheit als Staatsanwältin in der DDR und ihre Ausbildung als Diplomjuristin rückgängig gemacht, obwohl sie sich nach der Wende einer intensiven Überprüfung ihrer vormaligen Tätigkeit unterzog, bei der keine dienstlichen oder moralischen Verfehlungen entdeckt wurden.
Der Vertreter der NPD-Fraktion im Zweiten Untersuchungsausschuß Winfried Petzold sagte hierzu:
„Frau Henneck ist ein weiteres Opfer der parteipolitisch ‚versippten’ sächsischen Justiz- und Behördenmafia, die nicht davor zurückschreckt, Recht und Gesetz zu beugen, wenn es um die Verstrickung eigener Seilschaften in Verbrechen geht. Auch für eine Vertiefung des unseligen Ost-West-Grabens ist man sich nicht zu schade. Der eigentliche Skandal aber ist wohl die Kaltblütigkeit, mit der Karriere, Reputation und Gesundheit einer mustergültigen Beamtin zerstört werden soll, die sich einem solchen Komplott in den Weg stellt. Die NPD-Fraktion kennt dieses Vorgehen, kombiniert mit einer dienstwilligen Einheitspresse, aus eigener Erfahrung, und hält daher die Aussagen von Frau Henneck in vollem Umfang für glaubwürdig.
Auch wenn der eigentliche ‚Sachsensumpf’ durch die Auflösung des Referats und die Zerstörung weiter Aktenbestände wohl nicht mehr endgültig geklärt werden kann, so sollte dieser neue ‚Sachsensumpf’ aus Staatsanwaltschaft, Verfassungsschutz und Innenministerium umso dringlicher aufgeklärt werden, damit in diesen Lande nicht wieder schleichend DDR-Verhältnisse Einzug halten können, nur diesmal technisch erheblich effizienter und damit gefährlicher.“
28.01.2009
Arne Schimmer
Pressesprecher der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag
Bernhard-von-Lindenau-Platz 1
01067 Dresden
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