Am 30. Mai 2008 jährte sich zum 40. Mal der Tag der Sprengung der Paulinerkirche in Leipzig. Für viele Sachsen und viele Leipziger Bürger stand nach den Wendejahren 1989 und 1990 fest, daß die bestmögliche geschichtliche Wiederaufarbeitung dieser Sprengung ein möglichst originalgetreuer Wiederaufbau der Kirche gewesen wäre, um den seither ein heftiger Streit entbrannte. Im Jahr 2004 gewann der Rotterdamer Architekt Erick van Egeraat dann einen Architekturwettbewerb mit einem Entwurf, der zumindest einen annährend originalgetreuen Wiederaufbau des Innenraums der gesprengten Universitätskirche zu garantieren schien. Dieser Kompromiß wurde nun entweder von Seiten der Stadt oder der Universitätsleitung unterlaufen.
Die NPD-Fraktion erarbeitete nun einen Antrag, in dem sie die Staatsregierung aufforderte, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten dafür einzusetzen, daß der Egeraat-Entwurf nicht noch weiter verwässert wird.
Bei der Einbringung des Antrags ins Plenum ließ der stellvertretende NPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Johannes Müller die Geschichte der Kirche nochmals Revue passieren und erinnerte daran, daß das Bauwerk auch den schweren Bombenangriff auf Leipzig im Dezember 1943 überstanden habe, um dann der Zerstörungswut der SED zum Opfer zu fallen.
Der Widerstand, der sich nun gegen das idealistische Wiederaufbaubegehren formiert habe, sei, so Müller, in seinen Motiven nur schwer zu verstehen. Selbst die „Zeit“-Journalistin Evelyn Finger habe unlängst davon gesprochen, daß die Wendestadt Leipzig einem heute vorkomme, als ob die Wende ein Zwischenfall ohne Folgen gewesen sei.
Das wirklich Traurige und Inakzeptable der gegenwärtigen Entwicklung liegt laut Dr. Müller in dem Umstand begründet, daß auch „gefundene Kompromisse von Betonköpfen in Stadt und Universitätsleitung im Nachhinein immer wieder unterlaufen werden“. Dr. Müller erinnerte an den Kabinettsbeschluß für einen Wiederaufbau aus dem Jahr 2003 und an die gegenwärtigen Tendenzen, den Kompromißentwurf aus dem Jahr 2004 einseitig in Frage zu stellen.
Dazu sagte Dr. Müller wörtlich:
„Nun, ein Jahr vor dem Ende der Bauarbeiten, zeigt sich, daß all jene Wiederaufbaubefürworter, die sich guten Glaubens auf den Egeraat-Entwurf einschwören ließen, böse getäuscht wurden. Statt eines annährend originalgetreuen Wiederaufbau des Innenraums entsteht nun eine durch eine Glaswand geteilte Mehrzweckhalle, deren Innenraumkonzept von zahlreichen Fachleuten als ahistorisch und architektonisch unbefriedigend empfunden wird. Wer für diese Verhunzung des ursprünglichen Konzepts verantwortlich ist, bleibt unklar, da sich Stadt, Universität und Architekt hervorragend die Verantwortung gegenseitig zuschieben können. Klar ist aber, daß der Kampf gegen eine auch nur in Teilen oder in bestimmten Raumaufteilungen wiederhergestellte Universitätskirche in Leipzig mit Methode und geradezu mit Fanatismus betrieben wird.“
Als Beispiel für diese These nannte Dr. Müller unter anderem die Weigerung der Universitätsleitung, eine private Spende für eine Verbringung geretteter Kirschenschätze in das neue „Paulinum“ anzunehmen oder den „Bruch der Zusage, den Innenraum des sogenannten ‚Paulinums‛ in Anlehnung an das Original der gotischen Paulinerkirche…zu gestalten.“
Der CDU-Landtagsabgeordnete Robert Clemen bezeichnete die NPD-Initiative für die Paulinerkirche als „unglaublichen Angriff auf unser demokratisches Selbstverständnis“. Die NPD sei „durch gar nichts legitimiert, ein Wiederaufbaubegehren zu formulieren“. Der CDU-Abgeordnete vergaß dabei wohl, daß schon das Recht auf freie Meinungsäußerung die NPD dazu legitimiert, eine solche Forderung aufzustellen.
Der kulturpolitische Sprecher der NPD-Fraktion, Jürgen Gansel, entgegnete Clemen, daß sich erst jüngst, bei einer am 5. April dieses Jahres erhobenen Leserumfrage sich überwältigende 77 Prozent der vom Leipziger Stadtmagazin „hallo! LEIPZIG“ befragten Bürger für einen Kanzeleinbau und gegen eine Glaswand in der neuen Universitätsaula ausgesprochen hatten. Gansel interpretierte diese Zahlen so, daß die Leipziger Bürger durchaus noch eine Ahnung davon hätten, daß es der Ulbrichtsche Ungeist sei, der in Leipzig sein Unwesen treibe.
Dazu äußerte Gansel:
„Es ist ja auch der Jargon Walter Ulbrichts, mit dem auch heute Kritik an der Ausführung des Egeraat-Entwurfes niedergebügelt wird. Wie auch schon vor 40 Jahren bei der Sprengung der Kirche ist von Modernitäts- und Funktionalitätserfordernissen die Rede, die den Entscheidern angeblich keine Alternative zur Verhunzung des eigenen baulichen Erbes lassen.“
Erwartungsgemäß lehnten die etablierten Fraktionen den NPD-Antrag ab. Damit lehnten die selbsternannten Demokraten aber auch Punkt 1 und Punkt 2 des Antrages ab, in denen die Nationaldemokraten eine Verurteilung der Sprengung durch den Landtag und eine Würdigung der inner- und außeruniversitären Proteste gegen die Zerstörung der Kirche gefordert hatten.
10.07.2008
Arne Schimmer
Pressesprecher der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag
Bernhard-von-Lindenau-Platz 1
01067 Dresden
Tel.: (0351) 493 49 00 // (0170) 18 74 207
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