Die heutige Öffentliche Anhörung des Sächsischen Landtages zu den Gesetzentwürfen der Staatsregierung und der NPD-Fraktion für ein Sächsisches Versammlungsgesetz barg einiges an Brisanz. Als von der NPD-Fraktion benannter Sachverständiger trat der Fraktionsmitarbeiter Lennart Aae auf, der sich schon seit Jahrzehnten mit der Anmeldung sowie der juristischen Durchsetzung nationaler Veranstaltungen beschäftigt. Die etablierten Fraktionen hatten sechs Verfassungsrechtler sowie Stefan Kramer, den Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, als Sachverständige benannt.
Lennart Aae sagte in seinem Kurzreferat, das die heutige Sachverständigenanhörung einleitete, daß man bei der Lektüre des Gesetzentwurfes der Staatsregierung den Eindruck bekommen könne, daß es in Deutschland zu viel Versammlungsfreiheit gebe. Das genaue Gegenteil sei aber richtig, gemessen an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebe es zu wenig Versammlungsfreiheit in Deutschland, wie sich an der regelmäßigen Unterbindung von Spontandemonstrationen zeige. Die ohnehin zu restriktive Grundrechtsgewährung, so Aae, erfolge dabei auch noch unterschiedlich je nach politischer Einstellung der Betroffenen. Während der Gesetzesentwurf der Staatsregierung diese Schieflage ganz klar verstärke, versuche der Gesetzesentwurf der NPD, sie zu korrigieren.
Aae zitierte aus dem Brokdorf-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1985, in dem das Versammlungsrecht als „eines der unentbehrlichen und grundlegenden Funktionselemente eines demokratischen Gemeinwesens, das als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit und als eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt gilt“ bezeichnet wird. Eine in verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Gewährung ausgerechnet dieses elementaren Grundrechts sei mit der Rechtseinheit Deutschlands nicht vereinbar, so Aae weiter. Tatsächlich komme es aber zu krassen Unterschieden in der Rechtsgewährung, was der derzeit anhängige bayerische Versammlungsgesetzentwurf beweise, der noch tiefgreifendere Eingriffe in das Wesen der Versammlungsfreiheit als der sächsische Entwurf vorsehe. „Genau dadurch – also weil dies möglich ist – sehe ich die Gleichheit vor dem Gesetz, aber auch die Menschenwürde berührt“, so Aae weiter.
Der Entwurf der Staatsregierung nutze die neue Gesetzgebungskompetenz, um neue Verbotstatbestände zu schaffen, also um die Versammlungsfreiheit abzuschaffen, demgegenüber versuche der NPD-Entwurf, die durch die höchstrichterliche Rechtssprechung entstandenen Lücken im Versammlungsrecht zu schließen, beispielsweise durch die Einführung des Kooperationsgebotes, das besagt, daß die Versammlungsbehörden sich grundsätzlich versammlungsfreundlich zu verhalten haben, oder die Bestimmungen über Spontan- und Eilversammlungen. Die kraß rechtswidrigen Verhaltensweisen gegen mißliebige politische Veranstaltungen, die sich in letzter Zeit unter dem Vorwand sogenannter „Gegendemonstrationen“ eingebürgert hätten, wie zum Beispiel die offene Aufforderung zur Verhinderung einer Demonstration oder die tatsächliche Verhinderung mittels Blockaden, Androhung von Gewalt oder auch tatsächlicher Gewalt, dürften nicht geduldet werden. Da das wichtigste Postulat des Brokdorf-Beschlusses, das Gebot der Versammlungsfreundlichkeit, sich noch keineswegs in der versammlungsrechtlichen Praxis durchgesetzt habe, bedürfe es nach wie vor einer einfach-rechtlichen Kodifizierung, um sich bei der vollziehenden Gewalt und der Verwaltungsgerichtsbarkeit endlich Gehör zu verschaffen. Dies werde durch den NPD-Entwurf gewährleistet.
In der Fragerunde wollte der NPD-Abgeordnete René Despang einige einleitende Worte vor seiner Frage sprechen, was ihm der Ausschußvorsitzende Enrico Bräunig (SPD) untersagte.
René Despang wollte folgende Sätze sagen:
„Meiner Meinung nach soll das Versammlungsgesetz der Staatsregierung nur deshalb eingeführt werden, weil es von Jahr zu Jahr mehr Menschen gibt, die friedlich der zivilen Opfer Dresdens vom 13. und 14. Februar 1945 gedenken, und immer weniger, die gegen den Trauermarsch protestieren.
Auch wenn der Gesetzesentwurf der Staatsregierung in diesem Jahr im Plenum verabschiedet werden sollte, wird es meiner Meinung nach auch im nächsten Jahr einen würdevollen Trauermarsch in Dresden geben. Ich bin mir sicher, daß sich gerade wegen des neuen Versammlungsgesetzes und der sich daraus ergebenden Verbote und Auflagen noch mehr Menschen einfinden werden, um in Würde und Stille der Toten zu gedenken.“
René Despang stellte dann allen Sachverständigen die Frage, ob sie die Auffassung teilten, daß es der Staatsregierung mit ihrem Gesetzesentwurf vor allem darum gehe, den Dresdner Trauermarsch zu verhindern.
Weiter fragte Despang:
„Wie stehen Sie der Tatsache gegenüber, daß der Trauermarsch der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland seit Jahren friedlich und ohne Störungen verläuft, sieht man einmal vom Protest einzelner Linksextremisten ab. Kann so ein Trauermarsch, der in keinster Weise das Andenken und die Würde verstorbener Opfer des Nationalsozialismus verunglimpft, denn überhaupt verboten werden und wenn ja mit welcher Begründung?“
Bei der Beantwortung dieser Frage wurden unterschiedliche Positionen innerhalb der Sachverständigen deutlich. Professor Peter Badura, Emeritus des Lehrstuhls für Öffentliches Recht der Universität München, antwortete, daß eine solche Veranstaltung nicht verboten werden könne und daß es keine Tabuisierung des Gedenkens an zivile Opfer geben dürfe. Dies veranlaßte Stefan Kramer zu dem Einwurf, daß er wohl nicht richtig gehört habe. Man müsse „harte Kante“ gegen Rechts zeigen. Allerdings sprach Kramer im Rahmen der Sachverständigenanhörung dann selbst von „Bombenterror“ und nutzte damit eine Begrifflichkeit, die im Allgemeinen als „NPD-Vokabular“ diffamiert wird.
Kramer legte auf den ohnehin schon grundrechtsfeindlichen Gesetzesentwurf der Staatsregierung noch einen drauf und forderte eine noch weitergehende Forcierung der juristischen Auseinandersetzung „gegen Rechts“ auch unter der Inkaufnahme der partiellen Opferung eigener Freiheitsrechte. Endet der „Kampf gegen Rechts“ einmal in einer Art Diktatur, die zu immer mehr Grundrechtseinschränkungen greift? Solche Wortmeldungen lassen es zumindest befürchten, zumal man auf dem Weg der Grundrechtsaufhebung schon weit fortgeschritten ist.
Lennart Aae warf den anderen Sachverständigen vor, die eigentliche Fragestellung, die die Schaffung eines sächsischen Versammlungsgesetzes aufwerfe, logisch verfehlt zu haben. Keiner der Sachverständigen habe den Abwägungsaspekt zwischen dem Recht der Opfer auf postmortalen Ehrenschutz, der durch nationale Veranstaltungen ja auch gar nicht in Frage gestellt werde, und dem Recht der Demonstranten auf Durchführung ihrer Versammlung auch nur thematisiert. Weiterhin prognostizierte Aae einen rechtlichen „Flickenteppich“ durch den Übergang der Versammlungsgesetzgebung in die Länderkompetenz. Es werde zu einem „Towubawohu von Bundes- und Landesregelungen“ kommen, was im Sinne der Rechtseinheit bei der Gewährung eines Grundrechts vermieden werden sollte.
02.06.2008
Arne Schimmer
Pressesprecher der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag
Bernhard-von-Lindenau-Platz 1
01067 Dresden
Tel.: (0351) 493 49 00 // (0170) 18 74 207
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