DS: Herr Dr. Müller, neben anderen führenden Funktionen in der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag sind Sie auch Obmann der Nationaldemokraten im 1. Untersuchungsausschuß, der sich seit ca. drei Jahren mit den diversen Skandalen bei der Sächsischen Landesbank (SachsenLB) beschäftigt. Unsere Zeitung berichtete seit 2005 oft über diese Vorgänge. Am 31. März und 1. April wurde nun der sächsische Ministerpräsident Prof. Dr. Georg Milbradt als Zeuge vernommen. Kann man damit bereits ein Fazit ziehen?
Dr. Johannes Müller: Für eine endgültige Bewertung ist es sicherlich noch zu früh, da einige wichtige Zeugen noch nicht gehört werden konnten, wie z.B. der langjährige SachsenLB-Chef Michael Weiss und seine Lebenspartnerin Andrea Braun, die in den zahlreichen Affären um die Bank eine wichtige Rolle spielten. Außerdem wurde ja erst vor kurzem der Untersuchungsauftrag um den Komplex erweitert, der schließlich im letzten Jahr zum Beinahe-Zusammenbruch und Notverkauf der Bank an die Landesbank Baden-Württemberg geführt hat. Aber es ist natürlich nach der Vernehmung von Milbradt an der Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen.
Aus meiner Sicht hat sich bestätigt, daß der sächsische Regierungschef zu jeder Zeit eng mit der Landesbank verbunden war. Sie war schließlich sein »Kind«, auch wenn er heute davon nichts mehr wissen will. Mit »eng verbunden« meine ich nicht nur seine Zeit als sächsischer Finanzminister in der er Vorsitzender des Verwaltungsrates, also des Aufsichtsgremiums der SachsenLB, war. Nein, auch seit Milbradt Ministerpräsident ist, hat er sich nach meinem Eindruck intensiv um die Bank gekümmert.
Zum Teil hat er das vor dem Untersuchungsausschuß auch eingeräumt, so etwa im Zusammenhang mit den merkwürdigen Umständen der Entlassung der beiden Bankvorstände Weiss und Fuchs am 25.2.2005, die angeblich die »politische Verantwortung« für die bis dahin bekanntgewordenen Skandale übernommen hatten und um ihre Abberufung baten. Später wurde diese Darstellung bestritten. Fakt ist, daß Milbradt zweimal mit Bankchef Weiss telefonierte und anschließend während der laufenden Plenarsitzung die Landtagsabgeordneten informierte. Die NPD-Fraktion hatte übrigens bereits am 17. 1.2005 einen Antrag auf sofortige Suspendierung von Weiss, Fuchs und Braun gestellt.
DS: Die NPD-Fraktion hat überhaupt sehr früh die dubiosen Vorgänge bei der SachsenLB thematisiert. In der Öffentlichkeit wird heute der Eindruck erweckt, daß die Initiative für den Untersuchungsausschuß von der damaligen PDS ausgegangen ist. Können Sie einmal kurz skizzieren, wie der tatsächliche Ablauf war?
Dr. Müller: Es ist richtig, daß wir die ersten waren, die den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gefordert haben, genau am 19.1.2005. Mit 12 Abgeordneten konnten wir aber einen Beschluß des Landtages nicht erzwingen. Dafür ist ein sogenanntes qualifiziertes Minderheitsquorum von 25 Prozent der Abgeordneten notwendig. Diese Voraussetzung erfüllt bei den Oppositionsfraktionen in Sachsen nur die PDS bzw. DIE LINKE. Als die Genossen sich dann endlich dazu entschlossen hatten, auch einen Untersuchungsausschuß zu fordern, konnten sie ihn deshalb im Gegensatz zu uns allein durchsetzen. Wir haben ihrem Antrag aber selbstverständlich zugestimmt, da es uns ja um die Sache ging.
DS: Wie muß man sich die Arbeitweise eines Untersuchungsausschusses eigentlich vorstellen? Hat er die gleichen Druckmittel wie ein Gericht?
Dr. Müller: Rechtsgrundlage ist das sächsische Untersuchungsausschußgesetz vom 12.2.1991. Es regelt das Verfahren, die Rechtsstellung der Beteiligten und die Befugnisse des Gremiums. Bei Untersuchungsausschüssen geht es immer um die politische Verantwortlichkeit für bestimmte Handlungen, in der Regel der Regierung. Der Untersuchungsausschuß ist kein Gericht, auch wenn er sich teilweise an der Strafprozeßordnung orientiert.
Üblicherweise werden Zeugen geladen und in öffentlicher Sitzung vernommen. Nur bei geheimhaltungsbedürftigen Angelegenheiten kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, was öfter passiert. Wer als Zeuge vernommen werden soll, entscheidet der Ausschuß mit einfacher Mehrheit. Auch hier gibt es wieder ein qualifiziertes Minderheitsquorum, d.h. nur die LINKE ist in der Lage, allein die von ihr vorgeschlagenen Zeugen durchzusetzen. Aus parteipolitischen Motiven wurden unsere Vorschläge immer abgelehnt. Wenig später wurden die Vorschläge dann oft von anderen Fraktionen eingebracht und vom Ausschuß beschlossen. Aus diesem Grund haben wir in letzter Zeit meist auf eigene Anträge auf Zeugen verzichtet. Warum sollen wir die Arbeit für andere machen? Es geht ja dabei nicht um politische Inhalte, die man vermitteln möchte, wie bei sachpolitischen Anträgen im Plenum des Landtages, sondern um reine Ausschußanträge.
DS: Aber an der Befragung der Zeugen beteiligen Sie sich schon?
Dr. Müller: Selbstverständlich! Die Intensität richtet sich natürlich jeweils nach der Bedeutung des Zeugen für uns. Hinzu kommt, daß die Zeugen in der Reihenfolge der Stärke der Fraktionen befragt werden und zuvor noch der Ausschußvorsitzende und sein Stellvertreter Fragerecht haben, d.h. wir sind erst an sechster Stelle an der Reihe. Das führt dazu, daß wichtige Fragen oft bereits gestellt wurden, bevor ich überhaupt zu Wort komme. Trotzdem kann man natürlich einiges zur Aufklärung beitragen und ggf. auch nachhaken, wenn die Antworten auf Fragen der Vertreter anderer Fraktionen noch nicht ausreichend beantwortet wurden.
DS: Für viele Bürger stellt sich die Frage: Was bringt ein Untersuchungsausschuß eigentlich? In Sachsen gibt es ja nun bereits den zweiten in dieser Wahlperiode.
Dr. Müller: Ja, wir haben im Juli 2007 einen weiteren Untersuchungsausschuß mit durchgesetzt, der sich mit der »Mafia-Affäre« in Sachsen beschäftigen soll, die auch unter dem Begriff »Sachsen-Sumpf« bekanntgeworden ist. Allerdings konnte dort noch keine effektive Aufklärungsarbeit geleistet werden, weil nach Meinung der Staatsregierung der Einsetzungsbeschluß verfassungswidrig ist. Gegenwärtig ist dazu eine Klage vor dem Verfassungsgerichtshof anhängig.
Doch zurück zu Ihrer Frage nach dem generellen Sinn von Untersuchungsausschüssen. Man darf sich natürlich nicht der Illusion hingeben, daß am Ende der Tätigkeit irgendeine konkrete Schuld festgestellt wird und die Regierung deshalb zurücktreten muß. Mir ist kein Fall bekannt, wo das in der Bundesrepublik jemals in dieser Form der Fall gewesen ist. In der Regel wird zwar ein Abschlußbericht erstellt, der aber mit Mehrheit beschlossen wird. Die Minderheit oder auch Teile davon können dann abweichende Meinungen vorbringen.
Untersuchungsausschüsse eignen sich aber sehr gut dazu, der Regierung und den sie tragenden Parteien die Maske vom Gesicht zu reißen und ihr Versagen vor der Öffentlichkeit bloßzustellen. Im Verlauf der Tätigkeit von Untersuchungsausschüssen müssen oft Vertreter der Altparteien zurücktreten, manchmal gibt es auch einen Anlaß zu Strafverfahren. Aus diesem Grund ist dieses parlamentarische Mittel prinzipiell zu begrüßen, auch wenn es leider mit zusätzlichen Kosten verbunden ist.
DS: Kommen wir abschließend noch einmal zu der eingangs bereits von Ihnen erwähnten Frage des Notverkaufs der SachsenLB zurück. Wie beurteilen Sie diesen Schritt politisch?
Dr. Müller: Der Notverkauf, der dem sächsischen Steuerzahler noch teuer zu stehen kommen wird, war der Endpunkt einer Entwicklung, die sich im Laufe der Arbeit des Untersuchungsausschusses bereits abzeichnete. Es taten sich immer neue Problemfälle auf, die zunächst stets – vor allem von der CDU – geleugnet wurden. Angeblich war immer alles in Ordnung, dann war im Zusammenhang mit den amerikanischen »Schrottimmobilien«, die eine Tochter der SachsenLB mit finanziert hatte, von einer »unvorhersehbaren Marktstörung« die Rede und schließlich endete das Ganze mit der Veräußerung der landeseigenen Bank unter ganz und gar ungünstigen Bedingungen für den Freistaat.
Dabei hatten mehrere Abgeordnete, darunter auch ich, frühzeitig vor den Geschäften der in Dublin ansässigen »SachsenLB Europe plc.« gewarnt. Die Tochtergesellschaft war übrigens in Irland gegründet worden, um in Deutschland Steuern zu sparen, wie der sächsische Ministerpräsident freimütig einräumte.
Vor dem Ausschuß hatte Milbradt darauf bestanden, keine positiven Einflußmöglichkeiten in Bezug auf den Zusammenbruch der Landesbank gehabt zu haben, da niemand die globale Liquiditätskrise im Sommer 2007 vorhergesehen habe. Auch diejenigen, »die jetzt so klug daherreden«, so Milbradt wörtlich, hätten die Krise nicht kommen sehen. Der Gipfel war für mich erreicht, als er mit Blick auf die Mitglieder des Untersuchungsausschusses sagte: »Der Ball liegt in ihrer Hälfte.« Diese dreiste Umkehr der Verantwortlichkeiten konnte ich nicht hinnehmen und habe Milbradt deshalb mit mehreren Kleinen Anfragen aus dem Oktober 2006 zur »SachsenLB Europe« konfrontiert, die der finanzpolitische Sprecher der NPD-Fraktion, Alexander Delle, und ich damals gemeinsam gestellt hatten. Darin hieß es in der Einleitung u.a.: »Interne Kritiker der in Dublin ansässigen ›Sachsen LB Europe plc.‹ bezweifeln schon seit der Gründung dieser Tochter der Sächsischen Landesbank im Jahr 2000, daß Risiken im Wertpapierbestand ordnungsgemäß erfaßt werden. (…) Die ›Sachsen LB Europe plc.‹ betreibt aber auch ein hochvolumiges außerbilanzielles Geschäft, dessen Risiko selbst für die Anteilseigner der SachsenLB nur schwer einzuschätzen ist.«
Milbradt erwiderte wie aus der Pistole geschossen, daß die Antwort auf die Kleine Anfrage nicht von ihm, sondern von CDU-Finanzminister Horst Metz unterschrieben worden sei, der bekanntlich am 31. August 2007 zurückgetreten war. Damit versuchte er erneut, die Schuld am Milliarden-Desaster auf andere abzuschieben. Seine Masche, einfach jedwede Verantwortung für das Schicksal der Bank rundweg abzustreiten, ist jedoch ad absurdum geführt worden. Da die Warnungen in Form von Kleinen Anfragen geschahen, kann der Ministerpräsident in Zukunft auch nicht mehr behaupten, daß die Probleme mit Dublin nie die politische Ebene erreicht hätten. Georg Milbradts Verteidigungsstrategie ist in sich zusammengebrochen. Er sollte endlich das würdelose Spiel um seine angebliche völlige Unkenntnis aller relevanten Vorgänge beenden und zu seiner Verantwortung stehen.
Daß im Zusammenhang mit der Vernehmung auch noch herauskam, daß Milbradt als Chef des Verwaltungsrates sowie Mitglied des Kreditausschusses der SachsenLB selbst Kreditnehmer der Staatsbank und Investor eines risikolosen Immobilienfonds zur Finanzierung des Bankgebäudes war, setzt dem ganzen unwürdigen Treiben noch die Krone auf. Der einst als Finanzexperte anerkannte Professor Milbradt hat seinen politischen Kredit vollständig aufgebraucht und sollte deshalb schleunigst zurücktreten.
DS: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Müller!
Die Fragen stellte Holger Szymanski.
(Das Interview wurde in Nr. 5/2008 der Monatszeitung “Deutsche Stimme” veröffentlicht. Es wurde wenige Tage vor dem Rücktritt des sächsischen Ministerpräsidenten Prof. Dr. Georg Milbradt geführt.)
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