Aktuell

Grundrechtseinschränkung durch Sondergesetze wäre Perversion geltenden Rechts

05.03.2008 | von Frank Franz

Am heutigen Tag hat die NPD-Fraktion ihren Gesetzentwurf für ein Sächsisches Versammlungsgesetz (SächsVersG) in das Plenum des Landtages eingebracht.

 
Der NPD-Fraktionsvorsitzende Holger Apfel betonte bei der Einbringung des Antrages, daß die Übertragung der Gesetzgebungskompetenz vom Bund auf die Länder den regionalen Gesetzgebern verschiedene Lösungswege biete. Zum einen könne Sachsen auf ein eigenes Versammlungsgesetz verzichten. In diesem Fall bliebe nach Art. 125 a Absatz 1 GG das Bundesversammlungsgesetz auch nach der Föderalismusreform vorerst uneingeschränkt gültig. Die zweite Möglichkeit wäre, daß Sachsen das Bundesgesetz vollständig als Landesgesetz übernimmt, womit dieses ebenfalls weiterbestünde. Die dritte Möglichkeit wäre die Verabschiedung eines rudimentären Versammlungsgesetzes, der das Bundesversammlungsgesetz um vermeintlich erforderliche sächsische Spezifika ergänzt.
 
Der NPD-Fraktionsvorsitzende erklärte jedoch, daß die NPD-Fraktion gerade diese Möglichkeit entschieden ablehne, da die Gesetzgebungskompetenz zersplittert würde und das Risiko landesspezifischer Ausnahmebestimmungen berge, mit der selektive Grundrechte im Stile eines Sondergesetzes eingeschränkt werden sollen. Dies käme der Perversion rechtspolitischen Denkens in einem förderalen System gleich.
 
Apfel wies darauf hin, daß sich selbst das Bundesversammlungsgesetz in einem desolaten Zustände befände und überholungsbedürftig sei, da weichenstellende Weiterentwicklungen des Versammlungsrechtes durch das Bundesverfassungsgericht wie der Brokdorf-Beschluß von 1985 noch immer nicht in das Bundesgesetz eingearbeitet wurden. So kämen elementare und heute in der Praxis Einzug gehaltenen Aspekte dieses Urteils – z.B. jene der „Eilversammlung“, der „Spontandemonstration“ oder auch der „Kooperationswille zwischen Behörde und Veranstalter“ – bis heute nicht im Gesetz vor.
 
Wegen der begründeten Befürchtung, daß die Staatsregierung gerade den Weg der Verabschiedung eines an Bundesrecht angelehnten Gesetzestorsos zum Zweck der selektiven Grundrechtseinschränkung beschreiten wolle, erklärte Apfel, daß sich die NPD verpflichtet fühle, einen eigenen Gesetzesentwurf mit jenen überfälligen Korrekturen einzubringen, die verfassungsrechtlich absolut notwendig seien: „Schließlich hat sich gerade im Bereich des Versammlungsrechts in den letzten Jahren eine Willkürpraxis entwickelt, die zu schweren Rechtsverstößen führt und zunehmend den Verdacht nährt, daß sich der Rechtstaat immer stärker in einen Linksstaat – einen Unrechtsstaat – verwandelt“, so Apfel, der sich darin durch einen Aufsatz von Prof. Wolfgang Hoffman-Riem für die „Neue Juristische Wochenzeitung“ bestätigt fühlt . Er zitierte den für Versammlungsrecht am Ersten Senat des Bundverfassungsgerichts zuständigen Richters wie folgt:
 
„Hätte ich die vielen Akten über die von mir aus verfassungsgerichtlicher Warte geprüften Entscheidungen nicht mit eigenen Augen gesehen, ich hätte nicht geglaubt, daß einzelne Behörden und Gerichte in diesem Feld so nachhaltig fehlerhaft handeln würden. Manche Entscheidungen erwecken den Eindruck, als sei mit großer Fantasie nach Gründen gesucht worden, wie man die jeweiligen Versammlungen verbieten kann – und dies, obwohl das Grundgesetz von dem Grundsatz ‚im Zweifel für die Freiheit‛ ausgeht und die Beweislast für das Vorliegen einer Gefahr, deretwegen die Versammlung verboten werden darf, bei der Behörde liegt. Es entsteht manchmal der Eindruck, als werde hier ein spezieller, die Rechtsextremisten besonders treffender Maßstab angelegt und als gäbe es besondere Instrumente zur Verhinderung ihres Freiheitsgebrauchs.“
 
In der Praxis, so Apfel, präge Grundrechtsverachtung und die Bereitschaft zur völlig offen zur Schau getragenen Verletzung der Rechtsordnung über politisch motivierte Demonstrationsverbote bis heute die versammlungsrechtliche Praxis.
 
Dem trage der Gesetzesentwurf der NPD-Fraktion in seinem neuen § 15 Rechnung, in dem die Kriterien für Verbot, Auflösung und Auflagen so präzise festgelegt sind, so daß für Willkürentscheidungen wie das Verbot harmloser Parolen wie „Hier marschiert der nationale Widerstand“ oder z.B. auch die Beschränkung der Anzahl mitzuführender Fahnen kein Spielraum mehr besteht. Für die Verfügung von Verbot oder Auflagen sind künftig die Angabe von Tatsachen für die unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit erforderlich. Werde diese aber nicht durch die betreffende Veranstaltung selbst, sondern wie so oft durch sogenannte Gegendemonstrationen gefährdet, so seien die Maßnahmen der Behörden nach dem NPD-Entwurf nur gegen diese, nicht gegen die von Störern attackierte Ursprungsveranstaltung zu richten.
 
Apfel erläuterte weiter, daß nach dem Gesetzesentwurf jene Veranstaltungen, die durch Steh- oder Sitzblockaden Teilnehmern einer anderen Veranstaltung den Zugang zur Versammlung selbst oder der Demonstrationsweg selbst versperren, zu verbieten bzw. unverzüglich aufzulösen seien. Mit der behördlichen Tolerierung grundrechtswidriger Zustände, wie sie gerade anlässlich der jährlichen Trauermärsche zum 13. Februar immer wieder – überdies unterstützt von Landtagsabgeordneten – praktiziert würden, müsse endlich Schluß sein.
 
Der NPD-Fraktionsvorsitzende wies am Ende seines Beitrages noch einmal darauf hin, daß der Gesetzesentwurf erstmalig die umfangreiche Rechtsprechung des BVerfG zum Versammlungsrecht berücksichtige und er deshalb die Hoffnung hege, daß der Gesetzesentwurf der NPD zum Ausgangspunkt einer breiten öffentlichen Diskussion werde.
 
Für alle Beobachter des heutigen Plenartags war jedenfalls sichtbar, daß Apfel im Gegensatz zu Justizminister Geert Mackenroth (CDU), der bei der Einbringung seines Sondergesetzes zur Schaffung versammlungsrechtlicher Tabu-Orte und Tabu-Tage ausschließlich politisch und fernab jeglicher geltender Rechtssprechung argumentierte, eine juristische Begründung wählte und sich jeder sachfremden Rabulistik enthielt.
 
05.03.2008
 
Arne Schimmer
Pressesprecher der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag
Bernhard-von-Lindenau-Platz 1
01067 Dresden
Tel.: (0351) 493 49 00 // (0170) 18 74 207
 
]]>

Keine Kommentare möglich.