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Schachtschneider: Diskurs um EU-Verfassung ist unverzichtbar, wenn wir uns weiterhin ein freies Land nennen wollen

27.09.2005 | von Frank Franz

Anläßlich des Antrages der NPD-Fraktion auf Erhebung einer Abstrakten Normenkontrollklage gegen das deutsche Zustimmungsgesetz zur EU-Verfassung führte der Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuß in seiner 11. Sitzung eine Öffentliche Anhörung mit hochkarätiger wissenschaftlicher Beteiligung durch.

 
Neben dem von der NPD-Fraktion benannten Sachverständigen Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider (Uni Erlangen-Nürnberg), beteiligten sich Prof. Dr. Ulrich Fastenrath
(TU Dresden), Prof. Dr. Meinhard Hilf (Bucerius Law School, Hochschule für Rechtswissenschaft Hamburg), Privatdozent Dr. Markus Kotzur (Uni Leipzig), Prof. Dr. Thomas Schmitz (Uni Göttingen) und Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Peter Schneider (Deutsches Institut für Föderalismusforschung e.V., Hannover).
 
Prof. Schachtschneider, der den CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler bei seiner Verfassungsbeschwerde gegen das Zustimmungsgesetz zur EU-Verfassung vertritt und wegen der dadurch bedingten Aussetzung des Ratifizierungsprozesses in Deutschland für weltweites Aufsehen sorgte, unterstützte den Antrag der NPD auf Einleitung eines entsprechenden Normenkontrollverfahrens.
 
Professor Schachtschneider empfahl den Abgeordneten des Sächsischen Landtages, den Antrag der NPD anzunehmen und die Sächsische Staatsregierung aufzufordern, eine abstrakte Normenkontrollklage gegen die EU-Verfassung einzureichen. Nur so könnten die Bundesländer ihre Auflösung als Staaten und Umwandlung in reine regionale Selbstverwaltungseinheiten verhindern, erklärte Schachtschneider. Auf die Frage, warum bisher keines der hierfür zuständigen Staatsorgane – Bundesregierung, Bundestag (mit einem Dritteln seiner Abgeordneten), Landesregierungen – ein Normenkontrollverfahren eingeleitet hat, antwortete Schachtschneider, daß dies wohl an Unkenntnis liegen muß. Er nannte Beispiele unter prominenten Politikern für eine beinahe vollständige Unkenntnis der EU-Verfassung. Dabei hätten gerade die Länder gute Gründe gehabt, eine höchstrichterliche Überprüfung zu fordern. Daß dies im wesentlichen nicht geschehen sei, sei bedauerlich, aber leider nicht anders zu erwarten; einzige Ausnahme: Sachsen.
 
Die übrigen Sachverständigen, die mehrheitlich bereits in Sachen Maastricht und EU-Integration für die Bundesregierung tätig waren, vertraten erwartungsgemäß die offizielle Auffassung der politischen Klasse in Deutschland zur EU-Verfassung. Prof. Schachschneider konnte jedoch in den verschiedenen Themenbereichen, wie der Frage der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz, der „Kompetenz-Kompetenz“ (Selbstreproduktion von Kompetenzen und Zuständigkeiten), des Sozialstaatsprinzips, des Grundrechtsschutzes und der Sicherheitspolitik, die Defizite der EU-Verfassung exakt nachweisen. Zum Teil mußten ihm die übrigen Teilnehmer in der Sache beipflichten, z.B. in der Frage der Kompetenz-Kompetenz und des demokratietheoretischen Erfordernisses eines Referendums.
 
Auf die Vorhaltungen Schachtschneiders, daß in Deutschland im Gegensatz z.B. zu Frankreich kaum eine öffentliche Diskussion über die „existentielle Schicksalsfrage“ der EU-Verfassung und der EU-Integration im allgemeinen stattgefunden habe, gingen die übrigen Sachverständigen mit keinem Wort ein. Hierzu wurden seitens der Abgeordneten der sich selbst als „demokratisch“ bezeichnenden Parteien auch keine Fragen gestellt. Diese stellten überhaupt auffällig wenig Fragen, offenbar um einen sonst möglichen Tabubruch zu vermeiden („Keine kritische Diskussion über die EU zulassen!“). Die meisten Fragen wurden von den NPD-Abgeordneten gestellt.
 
Zu einem kleinen Zwischenfall kam es, als der NPD-Abgeordnete Dr. Müller die Frage stellte, inwiefern Artikel 23 Grundgesetz den Artikel 20 „berühre“ und damit gemäß Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes ein „verfassungswidriger Grundgesetzartikel“ sei. Der Ausschußvorsitzende erklärte sofort diese Frage für unzulässig, da sie mit dem Antrag der NPD nichts zu tun habe. Trotz energischen Widerspruchs von Dr. Müller wurde die Frage nicht zugelassen. Dabei ist Artikel 23 ein Eckpfeiler für die Begründung der Verfassungsmäßigkeit sowohl des Maastrichter Vertrages als auch der EU-Verfassung, so daß zu einer Anhörung über die Verfassungsmäßigkeit letzterer die Diskussion über Artikel 23 Grundgesetz ganz eindeutig dazugehört.
 
Nach der Anhörung stellte Dr. Müller hierzu fest: „Die Verhinderung der Diskussion über diese Frage diente offenbar dazu, die krasse Verfassungswidrigkeit der gesamten EU-Integration nicht offensichtlich werden zu lassen.“
 
In seinem engagierten Schlußplädoyer warb Professor Schachtschneider nochmals für die Erhebung einer Abstrakten Normenkontrollklage durch den Freistaat Sachsen. Er betonte, daß die EU-Verfassung besonders in Richtung Deregulierung und Kapital- und Wirtschaftsliberalisierung zusätzliche Freiheiten bringe, den Menschen im Gegenzug aber nicht die Stärke des grundgesetzlichen Sozialprinzips gewähre. Bekenntnisse zum Wettbewerb könnten nicht die Sozialpflichtigkeit und die Fähigkeit zu einer Sozialpolitik ersetzen, die ohne eine eigene Wirtschafts- und Währungspolitik nicht gestaltbar sei. Die Strukturprinzipien Demokratieprinzip, Rechtsstaatprinzip und Gewaltenteilungsprinzip seien durch die EU-Verfassung verletzt. Besonders gefährlich sei es, daß die EU-Verfassung kein Angriffskriegsverbot kenne und der EU über Krisenreaktionseinsätze das Recht zum Kriege zuspreche, was zu einer in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg nicht gekannten „Verfassungsmilitanz“ führe.
 
Besonders bedrückend sei es, so Schachtschneider, daß der schicksalhafte Prozeß der europäischen Integration in Deutschland nicht diskutiert werde: „Freiheit, Recht und Staat, Demokratie und Sozialprinzip müssen verteidigt werden. Der Diskurs um eine solche Frage ist unverzichtbar, wenn wir uns weiterhin ein freies Land nennen wollen“
 
Verantwortlich:
Holger Szymanski
Pressesprecher der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag
Bernhard-von-Lindenau-Platz 1
01067 Dresden
Tel.: (0351) 493 49 00 / (0160) 67 23 112
www.npd-fraktion-sachsen.de
 
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